Edo Osterloh - Theologe und Politiker
Edo Osterloh wurde am 2. April 1909 in Rotenhahn bei Varel als Ältester von fünf Geschwistern in kleinbäuerliche Verhältnisse hineingeboren. Aufgrund seiner hohen intellektuellen Begabung konnte er schließlich über die Studienstiftung des deutschen Volkes Theologie und Philosophie an der Kirchlichen Hochschule Bethel sowie an den Universitäten Marburg, Göttingen und Zürich studieren.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war er ab Mai 1933 Mitglied der NSDAP. In Göttingen wurde er außerdem Hochschulgruppenführer des „Studentenkampfbundes Deutsche Christen“. Noch im selben Jahr bezeichnete er seine bisherige Einstellung aber als „Irrtum und Illusion“ und schloss sich der „Bekennenden Kirche“ an. 1934 hinderte ihn eine Gehirnentzündung daran, eine Stelle als Assistent an der Hochschule in Bethel anzunehmen. Von 1935 bis 1940 war er Dozent für reformatorische Theologie, Hebräisch und Philosophie an der damals illegalen Kirchlichen Hochschule der Bekennenden Kirche in Berlin. 1937 übernahm er zudem das Amt des Studentenpfarrers in der Bekennenden Kirche.
Nach der Einberufung 1940 wurde er aufgrund seiner guten mathematischen Fähigkeiten Artillerieoffizier und später Fachoffizier im Generalstab der Heeresgruppe Mitte. Im Sommer 1945 war er in sowjetischer Kriegsgefangenschaft, aus der er im August 1945 jedoch fliehen konnte.
Nach Kriegsende führte Osterlohs Weg über verschiedene Kirchenämter, in denen er sich bereits viel mit Schul- und Erziehungsfragen beschäftigte, in die Bundespolitik nach Bonn. Er schloss sich der CDU an und trat für eine liberale Familien- und Bildungspolitik sowie Toleranz gegenüber Minderheiten ein. Am 18. Januar 1956 wurde Osterloh Kultusminister in Schleswig-Holstein und war von 1958 bis 1964 Mitglied des Landtags.
Bereits in den ersten Monaten entwickelte er ein umfassendes Programm für den Ausbau der Kieler Universität und für die Entwicklung der Schulen. Sein Ziel war eine Verbesserung der Schulbildung vor allem der ländlichen und sozial benachteiligten Jugend. Außerdem war er Gründungsmitglied der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit.
In seine Amtszeit fielen einige Skandale um Verantwortliche und Schreibtischtäter von NS-Unrecht, die nach Ende des Krieges in Schleswig-Holstein untergetaucht waren. So plädierte er etwa 1960 für Nachsicht mit Werner Catel, 1954 bis 1960 Direktor der Universitäts-Kinderklinik in Kiel, der einer der Organisatoren der Kinder-Euthanasie im NS-Staat gewesen war: „Ich bin der Überzeugung, dass Professor Catel vor 1945 subjektiv der Meinung war, im sittlich-moralischen Sinne nichts Unrechtes getan zu haben, und dass er sein Votum nur bei solchen Wesen abgegeben hat, bei denen es feststand, dass sie nie menschliches Bewusstsein erlangen würden.“ Osterlohs wohlwollende Haltung Catel gegenüber rührte offenbar auch daher, dass dieser zuvor ein geistig behindertes Kind von ihm medizinisch gut behandelt hatte.
Gegen Kriegsende war auch der ehemalige SS-Hauptsturmführer Hans Joachim Beyer nach Schleswig−Holstein geflohen, wo man ihn umstandslos entnazifizierte. Beyer hatte tatsächlich jedoch zuvor zahlreiche hohe Schlüsselfunktionen in der NS−Wissenschaft innegehabt. 1947 machte ihn die Evangelische Landeskirche − seine Vergangenheit kennend − zu ihrem Pressesprecher. 1950 bewarb sich Beyer um eine Geschichtsprofessur an Flensburgs Pädagogischer Hochschule, wo man ihn nach einer Unbedenklichkeitserklärung des Kultusministeriums positiv begutachtete, so dass er zehn Jahre lang angehende Geschichtslehrerinnen und –lehrer ausbildete. Schon 1953 machten Zeitungen auf die Vergangenheit Beyers aufmerksam. Doch Kultusminister Osterloh nahm ihn erst 1961 aus dem Dienst und stellte ihn dann bei vollen Bezügen „für Forschungsarbeiten frei“.
Der Schülersprecher Uwe Barschel, später Ministerpräsident Schleswig-Holsteins (1982-1987), lud auf Anregung seines Geschichtslehrers am 22. Januar 1963 Karl Dönitz ins Otto-Hahn-Gymnasium nach Geesthacht ein, vor Schülern der Klassen 9 bis 13 über „den 30. Januar 1933 und seine Folgen“ zu referieren. Die verherrlichende Darstellung der Machtübernahme der Nationalsozialisten und positive Darstellung des NS-Systems durch den ehemaligen Oberbefehlshaber der Kriegsmarine und Nachfolger Hitlers veranlasste die Bergedorfer Zeitung zu einem begeisterten Bericht über diesen „Geschichtsunterricht in höchster Vollendung“. Überregionale und internationale Medien griffen den Fall auf. Die Landesregierung von Schleswig-Holstein wurde stark kritisiert. Der Kultusminister leitete eine Untersuchung ein. Gleich zu deren Beginn nahm sich der Direktor des Gymnasiums das Leben. Osterloh plagten danach Schuldgefühle.
Am 25. Februar 1964 beging Edo Osterloh, Vater von acht Kindern, in der Nähe des Landeshauses Selbstmord in der Kieler Förde. Möglicherweise befürchtete er auch geistigen Verfall durch die Spätfolgen der Gehirnentzündung von 1934.
Der Verwaltungsrat des Studentenwerks beschloss daraufhin am 19. März 1964, das in Kiel-Projensdorf geplante Studentenwohnheim „Edo-Osterloh-Haus“ zu nennen: „Mit dieser Namensgebung sollen die Verdienste des verstorbenen Kultusministers um den Aufbau der Universität und der sozialen Einrichtungen der Studenten gewürdigt und die Erinnerung an einen Politiker unseres Landes wachgehalten werden, der sich der akademischen Jugend im besonderen Maße verpflichtet fühlte.“